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02. Mai 2024

Lernen im und am Werteprozess: Teil 1: Entwicklungsfelder - Führungskräfte, Mitarbeitende, Muster der Organisation

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Dieser Blog beschreibt die Lernfelder, die im Verlauf einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema „Werte“ im Unternehmen bedeutsam werden können und widmet sich dann im 2. Teil der wichtigen Rolle von Führungskräften bei der belastbaren Verankerung der Unternehmenswerte. 

Die Entwicklung und Einführung von Werten kann ein kraftloser oder ein intensiver Prozess sein. Verläuft er intensiv, zeigen sich in seinem Verlauf alle wichtigen Lernfelder, auf denen sich das Unternehmen und seine Mitarbeiter*innen entwickeln sollten, damit die (neuen) Werte tatsächlich "gelebt" werden - um die häufig verwendete Metapher zu wiederholen.

Damit Werte Wirkung zeigen: Die Entwicklungsfelder auf dem Weg dahin - und was in dem Feld idealerweise erreicht werden sollte

Lernfeld Führungskräfte:

Hier wird ausschlaggebend, inwieweit die Führungskräfte für alle sichtbar und glaubhaft, mit Energie und dauerhaft die Verantwortung für den Werteprozess übernehmen. 

Beispiele:

Von Anfang an nimmt die Organisation sehr aufmerksam wahr,

  • ob sich alle Führungskräfte „reinhängen" oder ob sie die Verantwortung für die neuen Werte „an HR abgeben“;
  • Ob die Führungskräfte für die notwendige konkrete Übersetzung der Werte in ihre Organisationseinheiten die erforderliche Energie aufbringen oder ob „gerade sehr viel zu tun" ist;
  • Ob sie versuchen, auftauchende Schwierigkeiten im Prozess durch eigenes Engagement zu überwinden, oder ob sie über „dieses Thema" oder über "unklare Aufgabenstellungen" oder "die Anderen" nörgeln. 
Und - besonders wichtig -
  • ob Führungskräfte den unauflösbaren Zusammenhang zwischen Strategie, Kultur und Struktur wirklich ernst nehmen und entsprechend berücksichtigen.

Hat eine Organisation in diesem Lernfeld Entwicklungsbedarf, dann muss aus unserer Sicht das Ziel sein, dass alle beteiligten FK vollumfänglich hinter folgendem Statement stehen und dieses durchgängig handlungsleitend anwenden: 

„Wir übernehmen ganz klar unsere Verantwortung im Prozess der Strategieumsetzung und Werteeinführung“.

Lernfeld Mitarbeiter*innen:

 Gerade in historisch gewachsenen, hierarchischen Familienunternehmen sind Mitarbeiter*innen oft an eine ungleichgewichtige Kommunikation gewöhnt: Ihre Beiträge werden erbeten, ihre Anregungen aber in vielen Fällen nicht umgesetzt. Ihre Kritik wird formal gefordert, in der direkten Kommunikation aber bleibt des Ideal „auf Augenhöhe"oft ein frommer Wunsch ohne Umsetzung. Langes Erleben dieser Form von Miteinander kann zu gelernter Hilflosigkeit und Apathie führen, aber auch zu einer gar zu leicht von der Hand gehenden Schuldzuweisung an "die da oben". Gepaart mit einer Sehnsucht nach einem "Wir", das es in der verklärten, guten alten Zeit gegeben haben soll.

Hat eine Organisation in diesem Lernfeld Entwicklungsbedarf, dann muss aus unserer Sicht das Ziel sein, dass die Organisation einen entsprechenden Rahmen schafft, in dem alle beteiligten Mitarbeiter*innen vollumfänglich hinter folgendem Statement stehen und dieses durchgängig anwenden können:

„Wir erleben jeden Tag und insbesondere in entscheidenden Situationen, dass wir - bezogen auf das Thema Werte - Einfluss, Verantwortung und OWNERschaft haben; Wir haben echte Handlungskontrolle.“

Lernfeld „Muster" bzw. „bestehende Werte“: 

Oft wird ein neuer oder ergänzter, an der Zukunftsstrategie ausgerichteter Werte-Rahmen kollidieren mit den bisher gültigen (impliziten oder expliziten) Unternehmenswerten. Der Konflikt zwischen der alten DNA und einer zukünftigen Werteausrichtung bietet große Entwicklungsmöglichkeiten,- oder die Chance zum Scheitern. 

Die Muster, die sich hier zeigen können sind so vielfältig und individuell wie die Organisationen und Menschen in Ihnen. Hier zwei Beispiele zur Verdeutlichung:

Beispiel-Muster: Over-Engineering und Perfektionismus. 

Was nicht 120% passt oder gleichmässig auf alle strategischen Ziele einzahlt, wird lang und detailreich diskutiert, in Kleingruppen zur weiteren Erarbeitung ausgelagert, Festgelegtes wieder in Zweifel gezogen. Irgendwann geht dann schon in diesem Prozess der Formulierung der zukünftigen Unternehmenswerte buchstäblich „die Luft aus“. Ganz zu schweigen davon, dass in einem Prozess der Werte-Übersetzung in das System, das auch Versuche und Schleifen benötigt, kein Umfeld zur Verfügung steht, das ein derart iteratives Vorgehen „aushalten“ kann. Der positive Energieschub, den Werte in der Phase der Strategieumsetzung liefern können, wird so unmöglich. 

2. Beispiel-Muster: Konflikt-Auslagerung, z.B. auf den externen Berater, auf den Prozess, auf die Mitarbeitenden
Bestimmte Faktoren werden in zu hohem Maße dafür verantwortlich gemacht, dass der Prozess nicht voran kommt. „Wenn wir ein anderes Vorgehen oder einen anderen Berater oder andere Mitarbeitende hätten, dann .“ Tatsächlich liegen hinter dem fehlenden Fortschritt jedoch andere - wesentlichere und oftmals unbewusste - Gründe. Diese können sehr verschiedenen Ursprungs sein: Verdeckte/unbewusste Konflikte oder Machtthemen, Glaubenssätze oder auch Bestandteile der Werte und Normensystems des Unternehmens. 

Hat eine Organisation in diesem Lernfeld Entwicklungsbedarf, dann muss aus unserer Sicht das Ziel sein, die Bereitschaft des Unternehmens zu entwickeln, in die Reflexion darüber zu gehen, was im Einführungsprozess gerade passiert, erkennbare Kommunikations- und Konfliktmuster oder konfligierende Grundüberzeugungen zu beobachten, eine gemeinsame Diagnose zu machen und daraus dann konstruktive Schlüsse abzuleiten.

Und nein, das ist nicht immer einfach. Denn: Ist z.B. „fehlende Offenheit" festes Element der "alten Kultur", dann ist die Reflexion eine echte Herausforderung: Wie spricht man in "nicht offener Kultur" über "fehlende Offenheit"? Ein Dilemma!
 Aber nur, wenn man sich gemeinsam, geduldig und wertschätzend an diese Themen rantraut, wird Fortschritt möglich. Und wenn alle davon überzeugt sind, dass es diesen Fortschritt braucht, dann ist zumindest die Tür in diese Diskussion schon mal ein Stück weit offen. 


Über die Autorin

Dr. Diana Astashenko, Full Stack Consultant. Kennt sich mit dem Frontend (Workshops, Prozessmoderationen, Coachings) ebenso aus wie mit dem Backend (Prozessarchitektur, Workshopdesign, Inhaltliche Weiterentwicklung). Inhaltliche Schwerpunkte: Strategieentwicklung, Strategieumsetzung, Digitale Didaktik und Megatrends. Gelernte Soziologin und Pädagogin. Von Natur aus neugierig auf (fast) alles.

Gute Führung beginnt hier.